Der Lockdown war für viele Leipziger Familien eine Herausforderung. Homeoffice, Homeschooling und in der Freizeit immer auf engstem Raum zusammensitzen: Hat das zu mehr häuslicher Gewalt geführt? Die Stiftung „Leipzig hilft Kindern“ fördert Projekte, die Unterstützung für diese Fälle anbietet – und sammelt Spenden.
Als Psychologin und Psychotherapeutin im Childhood-Haus Leipzig ist Petra Nickel nah dran an den Opfern dieser Gewalt. „Eine der Hauptursachen für Gewalt gegen Kinder ist eine Überforderung in den Familien. Die Belastung hat im Corona-Lockdown sicherlich noch zugenommen. Wenn dazu noch mangelnde Selbstbeherrschung und Gewaltbereitschaft kommen, bricht die Gewalt gegen Kinder in einer solchen Situation vermehrt durch“, erklärt Nickel.
Das Childhood-Haus ist eine ambulante Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die sexualisierte und körperliche Gewalt erfahren haben. In der Einrichtung arbeiten verschiedene Professionen und Institutionen zusammen: Die betroffenen Kinder und Jugendlichen werden nicht nur medizinisch und psychologisch betreut – auch Polizei und Gericht sowie das Jugendamt werden hinzugezogen. Das soll den Kindern mehrfache Befragungen ersparen und ihnen die Untersuchungen in den kindgerecht gestalteten Räumen erleichtern.
Im letzten Jahr haben die Fälle von häuslicher Gewalt in Sachsen zugenommen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Landeskriminalamts zeigt: Die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt ist 2020 auf 9235 gestiegen – im Jahr zuvor wurden 8890 Fälle registriert. Nach Angaben der Polizei waren 1040 der Opfer Kinder.
Erst mit den Lockerungen haben die Missbrauchsfälle zugenommen
Im Childhood-Haus macht sich dieser Anstieg der Gewalttaten gegen Kinder aber erst in diesem Jahr bemerkbar. Etwa 200 bis 250 Kinder und Jugendliche werden jährlich in der Einrichtung versorgt und betreut. Die Zahl der Fälle ist seit der Eröffnung Ende 2018 in etwa gleich geblieben – auch im Corona-Jahr 2020. „Erst jetzt mit den Lockerungen beobachten wir einen deutlichen Anstieg. 2021 ist bisher das Jahr mit den meisten Fällen“, sagt Matthias Bernhard, der als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin im Childhood-Haus für die medizinischen Untersuchungen der Opfer verantwortlich ist.
Dass es während des Lockdowns keinen massiven Anstieg der Fälle gab, erklärt Bernhard so: „Im Lockdown haben sich die Leute eher zusammengerissen – in einer Extremsituation ist das nicht ungewöhnlich. Doch jetzt mit den Lockerungen bricht vieles aus – auch die Gewalt.“ Noch sei die Pandemie nicht vorbei – im Gegenteil, einige Auswirkungen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, würden sich erst jetzt zeigen und bei den Menschen zu großen Unsicherheiten führen.
Von Lilly Günthner
Aus der LVZ vom 14. Juli 2021.
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