Benefiz-Gala von Gewandhaus, LVZ, VNG, Sparkasse und Porsche Leipzig bringt 40.000 Euro für „Leipzig hilft Kindern“ – und Marin Alsop am Pult des Gewandhausorchesters sowie Javier Perianes am Flügel begeistern mit Bernstein und Ravel.
Leipzig. „Leonard Bernstein“, sagt Claudia-Regine Nerius, die Vorstandsvorsitzende der Stiftung „Leipzig hilft Kindern“, während sie aus den Händen von Gewandhausdirektor Andreas Schulz den 40.000-Euro-Scheck entgegennimmt, „hätte das gefallen. Er liebte Kinder, liebte es, mit und für sie zu arbeiten.“ Bei Maurice Ravel, dem anderen Komponisten des traditionellen Benefizkonzertes am Vorabend des Ersten Advents Gewandhaus , zu dem LVZ, VNG AG, Sparkasse und Porsche Leipzig luden, verhält es sich nicht anders. Auch er erhielt sich Zeit seines Lebens Reste eines kindlichen Gemüts. Dem Seelenleben von Spielzeug widmete er eine Oper, er umgab sich mit Spieluhren, Automaten, mechanischen Attraktionen aller Art – und die beinahe naive Entdeckerfreude dieser Begeisterung geht in seiner Musik eine enge Verbindung ein mit höchster kompositorischer Meisterschaft.
Maurice Ravel, während dessen Lebensspanne zwischen 1875 und 1937 die abendländische Musik sich so grundsätzlich veränderte wie nie zuvor oder danach, gehört zu der Handvoll Komponisten, die keinen einzigen überflüssigen Takt Musik hinterlassen haben. Die beiden Werke aus seiner Feder auf dem Programm des Benefiz-Konzerts gehören zum Besten und Schönsten der Zeit: kostbar gewirkt aus dem Geiste der Spieluhren das G-Dur-Klavierkonzert, überbordend sinnlich, schillernd, funkelnd und sanft erotisch im bukolischen Ballett „Daphnis e Chloé“.
Natur- und Liebeslyrik in Tönen
Die zweite Suite aus diesem Hauptwerk des Impressionismus steht am Ende des von Marin Alsop, der Chefdirigentin des Baltimore Symphony Orchestra und designierten Leiterin der Wiener Rundfunk-Sinfonieorchesters, dirigierten Benefizkonzerts im Gewandhaus. Und die sinnliche Wucht dieser 20 Minuten, die Pracht der Farben, die Strahlkraft der Reflexe, die Macht der Schönheit dieser delikaten Natur- und Liebeslyrik in Tönen wirft die Frage auf, warum das Gewandhausorchester meist weite Bögen schlägt um dieses wunderbare Repertoire. Die Holzbläser-Kaleidoskope, die betörenden Soli, der sanfte Prunk der Streicher, der Sog von Gregor Meyers hier instrumental eingesetztem Gewandhauschor – das alles schreit ebenso nach mehr wie die ekstatische Begeisterung des Publikums nach dem Schlussakkord.
Die auswendig dirigierende Alsop muss nicht viel machen, um diesen Rausch der Farben, der Andeutungen und Luftspiegelungen zu entfachen – das Gewandhausorchester spielt diese Musik, als sei sie mit ihr so intim vertraut wie mit Mendelssohn oder Brahms. Und die dunklen Samt- und Brokattöne dieses doch sehr deutschen Orchesters passen verblüffend gut zu dieser doch sehr französischen Musik.
Zurückhaltende Zumutungen
Im späteren G-Dur-Klavierkonzert ist das nicht anders. Ravel arbeitete hier seinen Spieltrieb gleichermaßen an neoklassizistischen Strukturen ab wie an Mustern des noch jungen Jazz. Und auch hier muss man sagen: Seine subtile Kostbarkeiten sind auch dann gut aufgehoben beim Gewandhausorchester, wenn es ums Begleiten geht. Alsop und das älteste bürgerliche Orchester der Welt lassen dem Solisten Javier Perianes alle Freiheit der Welt, um die delikaten Zumutungen dieses so virtuosen wie zurückhaltenden Klavierkonzerts zum Publikum zu tragen. Im Mittelsatz, diesem kunstvollsten aller Kunst-Bluese übertreibt er es vielleicht ein wenig mit der Freiheit, aber sonst: Filigraner delikater, subtiler, feinsinniger und eleganter ist diese Musik kaum darstellbar.
Der Rest des Abends gehört Leonard Bernstein. Dessen 100. Geburtstag feiert die Musikwelt in diesem Jahr – und er war einer der wichtigsten Lehrer im Leben der Marin Alsop. Insofern ist das Benefizkonzert der entscheidende Beitrag des Gewandhausorchesters zum Bernstein-Jahr. Denn die Selbstverständlichkeit, mit der die Dirigentin den Eigenklang des Leipziger Wohlklangkörpers für die alle Genre-Grenzen sprengende Musik ihres Landsmanns nutzbar macht, lässt keine Wünsche unerfüllt.
Leichtfüßiger Musical-Erstling
Da beglückt die Funken sprühende Ouvertüre zu Operette „Candide“, mit der der schöne Abend beginnt. Da betören die lüstern swingenden Tanz-Episoden aus Bernsteins leichtfüßigem Musical-Erstling „On the Town“, der übrigens in dieser Spielzeit noch szenisch in der MuKo ansteht (Premiere: 26. Januar), da überzeugt die spirituelle Kraft der Chichester Psalms.
Für Gregor Meyers Gewandhaus-Chor sind dese tänzerischen Lobpreisungen des Herrn und des Lebens ein ebenso gefundenes Fressen wie fürs Gewandhausorchester. Der ausgelassene Sakral-Erotik der Außensätze steht dabei die fromme Versenkung des Knabensoprans Ruben Lorenz im Zentrum dergestalt gegenüber, dass auch bei diesem Werk des 20. Jahrhunderts die Frage sich auftut, warum derlei so selten zu hören ist in den Großen Concerten des Gewandhausorchesters.
Am Publikum jedenfalls liegt’s nicht, das klatscht sich nach rund zwei Brutto-Stunden die Handflächen wund. Und Marin Alsop, die für derlei Musik eine wunderbare Dirigentin ist, sollte ohnehin alsbald zurückkehren ans Pult des Gewandhausorchesters, gern schon vor dem nächsten Benefizkonzert von Gewandhaus, Leipziger Volkszeitung, VNG AG, Porsche und Sparkasse Leipzig am Vorabend es ersten Advents 2019.
Wenn Sie die Arbeit der Stiftung „Leipzig hilft Kindern“ unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier!
Von Peter Korfmacher, LVZ vom 3. Dezember 2018
Den Originalbeitrag finden Sie unter diesem Link.